Rede von Hildegard Maier auf der Kundgebung des Friedensforums Gelsenkirchen zum "Flaggentag 2023"
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ich heiße Sie herzlich
willkommen bei unserer kleinen Kundgebung aus Anlass des weltweiten
Flaggentages der Bürgermeister für den Frieden.
Sie werden fragen: „Was
ist denn das? Flaggentag klingt doch altmodisch und spießig.
Und was sind denn die Bürgermeister für den Frieden?“
Am 6. August 1945 tötete
eine amerikanische Atombombe über Hiroshima auf einen Schlag über 70.000 Menschen.
Eine einzige Atombombe vernichtete eine ganze Stadt. Die
mörderische Druckwelle und Hitze verbrannte 70% aller Häuser
und machte sie dem Erdboden gleich.
Nur 3 Tage später
zündete die US- Luftwaffe über Nagasaki eine
Plutonium-Bombe. Sie tötete wiederum über 70.000 Menschen. Die Temperatur an
der Erdoberfläche betrug 4.000 Grad und es ging ein radioaktiver
Regen nieder. Viele Verletzte konnten mit ihren schweren Verletzungen
nicht behandelt werden. Sie waren ihrem Leid und Schmerzen
ausgesetzt. 90% aller Ärzte und Pflegepersonal wurden ebenfalls
getötet. Kein Katastrophenschutz konnte hier helfen. Die Folgen
dieser atomaren Katastrophen sind bis heute Krebserkrankungen,
Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen.
Der einzige Einsatz von
Atomwaffen in der Geschichte hinterließ tiefe Spuren in Japan.
Und jedes Jahr gedenkt das gesamte Land am 6. und am 9. August des
Atomwaffeneinsatzes mit landesweiten Schweigeminuten. In Hiroshima
und Nagasaki werden jedes Jahr die Namen der Menschen vorgelesen, die
im Jahr davor an den Spätfolgen der Explosion gestorben sind.
Takeshi Araki, der
Bürgermeister von Hiroshima erkannte, dass er als Bürgermeister
die Bürger seiner Stadt bei einem Atomkrieg nicht schützen
kann. Deshalb gründete er 1982 die Organisation Mayors for
Peace. So entstand ein weltweites Netzwerk von Bürgermeistern,
das sich für die Abschaffung der Atomwaffen einsetzt.
Mittlerweile sind 8170 Städte weltweit Mitglied in diesem
Friedensbündnis.
Oberbürgermeister Frank
Baranowski hat 2005 dafür gesorgt, dass die Stadt Gelsenkirchen
Mitglied im weltweiten Bündnis von mehr als achttausend
„Bürgermeister für den Frieden/ Mayors for Peace“
geworden ist. Damit gehört Gelsenkirchen zu den 800 deutschen
Städten und Gemeinden, die sich als Mitglieder vor allem dazu
verpflichten, sich für eine weltweite Ächtung und das
vollständige Verbot aller Atomwaffen einzusetzen.
Auf der Website der Stadt Gelsenkirchen finden Sie folgenden Hinweis:
Der Flaggentag am 8. Juli erinnert an ein Rechtsgutachten des
Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 8. Juli 1996. Darin heißt
es, dass die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen gegen
internationales Recht und gegen Prinzipien des humanitären
Völkerrechts verstoßen. Darüber hinaus hat der IGH
die völkerrechtlich verbindliche Verhandlungspflicht zur
Realisierung vollständiger atomarer Abrüstung festgestellt.
Wir vom Gelsenkirchener
Friedensforum freuen uns immer, wenn wir sehen, dass die grün-weiße
Flagge der Bürgermeister für den Frieden am Hans-Sachs-Haus
weht. Wir unterstützen jeden Schritt der Stadt gegen einen
Atomkrieg. Wir würden uns freuen, wenn die jetzige
Bürgermeisterin eine aktivere Rolle zur Erhaltung des Friedens
einnimmt. Denn der Friede auf der Welt ist im Moment so brüchig
ist, wie nie zuvor. Jede weitere Eskalation im Ukraine-Krieg kann in
eine nukleare Katastrophe führen. Deshalb brauchen wir rasch
mutige Schritte zur Verhandlungslösung.
Wissen Sie, dass auf dem
deutschen Militärflugplatz Büchel in der Eifel, 130 km von
Gelsenkirchen entfernt, 20 amerikanische Atombomben liegen? Diese
Bomben werden gerade technisch aufgerüstet. Dafür kauft die
Bundesregierung gleich neue Atombomber. Die neuen Atombomben lassen
sich steuern und erreichen ihr Ziel schneller. Die Startbahnen und
das gesamte Gelände in Büchel werden z. Zeit für die
neuen Atombomben und die neuen Kampflugzeuge für 260 Mill. Euro
umgerüstet.
Falschmeldungen können
immer schlechter überprüft werden. Wer glaubt, dass so eine
Situation unmöglich ist, irrt sich.
An dieser Stelle möchte
ich Ihnen eine unglaubliche, aber wahre Geschichte erzählen.
In der Nacht zum 26. Sept.
1983 stellte der leitende sowjetische Offizier Stanislaw Petrow in
der Kommandozentrale „Serpuchow-15 als diensthabender
Verant-wortlicher für den Luftüberwachungsraum, nahe Moskau
den Start von 5 amerikanischen Atomraketen
Richtung Sowjetunion fest. In wenigen Minuten musste er die
folgeschwere Entscheidung treffen, ob sein Land mit Atomwaffen
angegriffen wird und ob er einen sowjetischen Gegenangriff mit
Atomraketen einleiten sollte. Petrow meldete seinen Vorgesetzten
einen Fehlalarm.
Das ist ein unerhörter
Vorgang im militärischen Dienst. Er gleicht einer
Befehlsverweigerung. Die Tragweite einer Fehlentscheidung waren für
ihn nicht absehbar. Es war die Zeit des Kalten Krieges, in der Phase
des Wettrüstens: amerikanische Pershing 2 Raketen und
sowjetische SS20 Raketen waren stationiert. In dieser Phase hat sich
Petrow entschlossen, an einen Fehlalarm zu glauben. Seine
Entscheidung hat er später begründet: Ich wollte nicht
Schuld haben am 3. Weltkrieg.
Spätere Untersuchungen
stellten am Computer Fehler im Frühwarnsystem bei Reflexionen
von Sonnenstrahlen in Wolken fest.
Dieser Vorfall unterlag lange
höchster militärischer Geheimhaltung. Erst1998 erfuhr die
Öffentlichkeit von der mutigen Entscheidung Stanislaw Petrow.
Anschließend erfolgten mehrere Auszeichnungen durch die
sowjetische Regierung. 2013 erhielt Petrows den Friedenspreis in
Dresden in der Semper Oper.
Falls Sie mir diese Geschichte
nicht glauben wollen: Der dänische Dokumentarfilm „The Man
Who Saved The World – Der Mann, der die Welt rettete“
berichtet über diesen Vorfall und über Petrov.
Unbeirrt hält aber unsere
Regierung weiter an der atomaren Aufrüstung fest.
Die technologische Entwicklung
macht den Einsatz von Atomwaffen immer wahrscheinlicher.
Sie lässt keine Zeit mehr für Zweifel oder Kontrollen.
Unsere Regierung spricht gerne von
moderner Waffentechnologie, verschweigt aber, dass ein Einsatz von
Atomwaffen die Existenz der gesamten Menschheit bedroht. Unsere
Regierung handelt unverantwortlich, weil sie an der atomaren Teilhabe
festhält, statt den Einsatz von Atomwaffen abzulehnen. Eine
atomare Teilhabe bedeutet aber, dass deutsche Piloten mit deutschen
Atombombern Atombomben auf andere Länder abwerfen – und
dann verantwortlich für Zerstörungen sind, die viel
schlimmer sind als die in Hiroshima und Nagasaki.
Wir brauchen Politiker, die
den Mut haben, Abrüstungsvorschläge zu machen. Die den Mut
haben über friedliche Lösungen nachzudenken und
Verhandlungen, als einen möglichen Schritt sehen,
Kriegshandlungen zu beenden.
Es wird Zeit, dass auch
Deutschland endlich das Abkommen der Vereinten Nationen zum Verbot
der Atomwaffen unterzeichnet wird. Auf dem G7 Gipfel Treffen in
Hiroshima im Mai 2013 appellierten deutsche Mitglieder von ICAN,
darunter der Oberbürgermeister von Hannover und Vizepräsident
von Mayors for Paece Belit Onay in einem offenen Brief an
Bundeskanzler Scholz sich einzusetzen:
- Für klare Schritte zur atomaren Abrüstung!
- Keine Atomwaffen auf fremden Territorien!
- Keine nukleare Teilhabe in der NATO!
- Keine Stationierung von russischen Atomwaffen in Belarus!
Wir möchten schließen
mit dem Friedensgebet der Vereinten Nationen:
Unsere
Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall.
An
uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen,
dessen
Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden,
nicht
von Hunger und Furcht gequält,
nicht
zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder
Weltanschauung.
Gib
uns Mut und Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen,
damit
unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen Mensch tragen.
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