Gottfried Clever

Ostermarschrede Ostersonntag 2019

Liebe Friedensfreunde!

Zu Beginn in Kürze zu meiner Person:

Gottfried Clever, verh., 4 Kinder, Ausbildung als Kath. Theologe, 22 Jahre tätig als Bergmann, jetzt Rentner, ehrenamtlich kirchlich und gewerkschaftlich aktiv und Mitglied des hiesigen Friedensforums.

Der Friede sei mit euch!

Ganz bewusst spreche ich hier diesen Satz, den Jesus nach biblischer Aussage nach seiner Auferstehung sprach;

Jedes Jahr ist der Ostermarsch für mich persönlich, neben dem zuvor gefeierten christlichen Auferstehungsfest, die andere und ebenso wichtige Seite der Auferstehung!

Denn hier stehen wir zusammen gegen den lebenszerstörenden Karfreitag des Todes, gegen die todbringenden Mächte von Militär und Krieg und für den Ostertag des Lebens

 

Ganz bewusst hier am KZ Erinnerungsort an grausamen, kalten, gefühlslosen Hass

Gerade hier muss ich an das Wort von der „Banalität des Bösen“ der jüdischen Philosophin Hannah Arendt denken, als Kurzfassung ihrer Erkenntnisse der Beobachtung des Eichmann Prozesses:

Eichmann

- war ein perfekt funktionierendes Rad im Getriebe eines unmenschlichen Systems,

- war ohne jede Empathie,

- führte streng Gesetze aus.

- Trotz hoher intellektueller Intelligenz, dachte er nicht nach

- Er war nicht das brutale menschliche Monster,

- möglicherweise gar ein treusorgender Familienvater.

Bei den ganz anderen Gesetzen der BRD hätte er ebenso gesetzestreu gehandelt. sagte er.

 

Die Journalistin Carola Stern sprach in diesem Sinne von der langsamen Gewöhnung an das Unrecht im Nazireich.

Die Theologin Dorothee Sölle meinte das damalige Unrecht wäre nur möglich gewesen durch das Mittun der Mitte der Gesellschaft.

Wo begegnen wir heute in unserer Gesellschaft oder gar auch in uns einer solchen Banalität lebenzerstörender Mächte, wo gehört sie zu unserem heutigen Thema?

Im Jahr 2017 wurden 1739 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben.

Diese Summe als einen Stapel Dollarscheine vorgestellt:

1000 übereinander sind ein Zentimeter, eine Milliarde 10 Kilometer.

Ein weltweiter Ausgabenturm für Bomben, Drohnen, Schnellfeuergewehre, Panzer usw. von sage und schreibe 17.390 Kilometer.

Das bedeutet Ausgabenturm allein der NATO 9000 Kilometer, davon 6000 Kilometer allein USA, Russlands Turm lediglich 660 Kilometer. unser deutscher Turm schon 440 Kilometer hoch.

 

Von benötigten 12 Kilometern hatte der Chef des Welternährungsprogramms bis zur Mitte desselben Jahres erst 3,5 Kilometer für 20 Millionen hungernde Menschen zusammenbetteln können.

Der Vergleich auf Deutschland bezogen: weltweit 3,5 km für eine Hungerkatastrophe und 440 km für Militär.

 

Allein diese unvorstellbaren Zahlen sind ein riesiger Skandal, ja sogar ein Verbrechen, welches zumindest jedem Bundestagsmitglied und einer Reihe von Journalisten bekannt sein sollte.

Jeder, der davon weiß, ist mitverantwortlich!

Wir können nicht sagen, wir hätten davon nichts gewusst!

 

Banalität lebenzerstörender Mächte?

 

Außenminister Frank Walter Steinmeier hat 2014 das Nato 2% Aufrüstungsziel mit abgestimmt – eine Erhöhung des deutschen Rüstungshaushalts von 48,5 Milliarden $ auf über 85 Milliarden $

Die von Kanzlerin zurzeit auf nur 1,5% bis 2024 reduzierte Summe würde immer noch rund 64 Milliarden $ bedeuten,

Noch einmal: 640 km in Deutschland für Militär gegenüber weltweit 3,5 km gegen Hunger sprich 350 Millionen Dollar, (am Dienstag in einer Nacht von 2 Spendern 340 Millionen $ für Notre Dame!)!!

 

Wurde mir in meiner Jugend beharrlich eingeredet, wir müssten weiter rüsten, weil ja der schreckliche russische Feind uns bedrohe, so wird gegenwärtig noch eine Propaganda-Stufe draufgesetzt: Von der grundgesetzlichen Definition der Bundeswehr als einer Verteidigungsarmee ist nicht mehr die Rede!

Die „Neue Verantwortung in der Welt“, die wir zu übernehmen hätten, steht nun im Vordergrund! Was darunter zu verstehen ist, ist nachzulesen in der Expertise zweier sogenannter Denkfabriken unter Mitwirkung von Wissenschaftlern, Bundespolitikern, Ministeriums- Zeitungs – und Industrievertretern:

Kernaussage:

dass unter entscheidender deutscher Führung, unserer Wirtschaftsmacht angemessen, eine europäische Armee aufgebaut werden soll:

- die weltpolizeiliche Aufgaben zu übernehmen hat

- die Rohstoffmärkte und Handelswege notfalls auch militärisch sichern muss

- und die zuständig ist für bestimmte definierte Einflusssphären auf der Weltkarte (Naher Osten, Nordafrika, Balkan, Osteuropa…)

 

Erschüttert, wütend, traurig und zornig, aber auch fassungslos bin ich über die seit dieser Studie in diesem Sinne in sämtlichen Medien bundesweit angelaufene Propagandamaschine zur Aufrüstung bis hin zum Altbundespräsidenten Gauck!

 

All das erinnert fatal an die Kriegskredite 1914. Eine Parallelität auch zur damaligen Frage von Liebknecht nach der Rolle der Rüstungsindustrie, dem militärisch-industriellen Komplex (Präsident Eisenhower‘s Warnung 1961) im Hintergrund, dem wirtschaftlichen Eigeninteresse der Rüstungsindustrie, der Erprobung von Waffen für den großen Ernstfall.

 

Für hier und heute gilt: Mit solch Erhöhung der Rüstungshaushalte wird eine Büchse der Pandorra gefüllt.  Wehe, wenn sie geöffnet wird!

 

Wäre die Neue Verantwortung mit entsprechenden finanziellen Mitteln nicht an anderer Stelle erheblich notwendiger?

 

·         Zum Beispiel für 820 Millionen hungernde Menschen, 26 000 Hungertote täglich?

·         Wäre es dem Frieden nicht dienlicher, Pflugscharen statt Schwerter in die Welt zu verkaufen?

·         Wäre nicht eher ein neuer friedlicher Umgang mit der Natur: mit Pflanzen, Tieren, Bodenschätzen, dem Klima, bei uns wie auch weltweit, finanziell förderungswürdig?

·         Hätte nicht auch der durch Beseitigung von weltweiter Handels- und Währungsungerechtigkeit geschaffene neue soziale Frieden mehr Macht Kriege zu beenden als unsere Waffen?

·         Wäre nicht auch unser Land ein ganzes Stück friedlicher, würden mehr Gelder für viele hiesige soziale Probleme aufgewandt?

 

Auch wenn diese Fragen an unseren politischen „Großen-Kosmos“ von den herrschenden Funktionären eines angeblichen Sachzwangs kaum gehört oder beantwortet werden, glaube ich, dass der Widerstand im „Kleinen Kosmos“ unseres ganz persönlichen Lebens umso entscheidender ist und zu Veränderung führt. Hier sind unsere kraftspendenden Wurzeln!

Letztlich geht es um eine tiefe mit der Welt im Einklang stehende Einheit in uns, die Versöhnung des Unversöhnten in uns, die Versöhnung des Trennenden zwischen uns Menschen sowie Mensch und Natur! Lasst uns an dieser Versöhnung arbeiten.

Die in der Bibel benannte Utopie: „Gerechtigkeit und Frieden umarmen sich (Ps. 85,11)“  dürfen wir uns nicht durch die Todesmächte der „Neuen Verantwortung“ zerstören lassen!

 

Zum Schluss soll hier den Menschen gedankt werden die mir und uns immer wieder Mut machen, die in ihren Lebenszusammenhängen das „Leben-schaffende“ und nicht das „Tot-machende“ fördern:

zum Beispiel:

- den vielen Müttern und Vätern, die ihre Kinder in einem liebevollen Geist erziehen, der über das darwinistische I‘m first hinausgeht.

- all den Menschen, die Wärme und Zuneigung in die Welt bringen und zeigen, dass eine andere Welt möglich ist.

- all denen mit aufrechtem Gang an den unterschiedlichsten Orten, die sich weder von Geld noch Karriere noch Ruhm korrumpieren lassen.

- denen, die alternative Formen Unternehmen oder auch Banken zu erproben versuchen, mit anderen Lohn-Gehalts-Führungsstrukturen und sinnvoller Produktion

- aber auch den Politikern, die gegen die Macht des Militärischen andere Zeichen setzen

- all denen, die immer wieder konkrete Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Menschen setzen.

- nicht zuletzt all den Friedensaktivisten in unterschiedlichsten Bereichen

Als alter Bergmann möchte ich aber an dieser Stelle auch noch mal den vielen ehemaligen Kumpels danken. Ich bin dankbar für die prägende Erfahrung von tiefer Solidarität, Wahrhaftigkeit und Mitmenschlichkeit.

Ich möchte meine Rede mit dem Text eines zum Inhalt passenden Liedes von Frank Baier und Mesut Cabancoglu schließen:


 

Die Hoffnung leben

Das ist wie ein neues Leben

Ein neuer Anfang

Wie ein neues Lied

 

Und Hoffnung kannst du

Kannst gerade du mir geben

Ja und du auch

Dann wär‘n wir schon zu dritt

 

Die Hoffnung

Hat sehr viel mit dir zu tun

Was wär die Hoffnung

Nur für mich allein

 

Grad mit dir

Möchte ich die Hoffnung leben

Als bereits jetzt schon

Lebend tot zu sein

 

Sich auf der Brücke treffen

Und miteinander sprechen

Sich näher‘n Wort für Wort

Mit einem neuen Lied

 

Auf dieser Brücke

Mit dir die Hoffnung leben

Und mit dir auch

Dann wär‘n wir schon zu dritt

 

Mit dir, Freund

Möcht ich lernen zu versteh‘n

Grad jetzt grad deshalb

Und trotz alledem

 

Und endlich tun

Statt nur davon zu reden

Weil Nichtstun b‘reits tödlich ist

Nicht nur bequem