Ansprache von Leo Kowald zum Ostermarsch Ruhr
2009 am Oster-Sonntag im Stadtgarten Gelsenkirchen
Liebe
Ostermarschiererinnen und Ostermarschierer!
Am 29. August 2006 - als der Krieg im Libanon tobte - fand in Weimar, der Stadt Goethes und des Konzentrationslagers Buchenwald, ein Konzert mit Daniel Barenboim und seinem „West-Eastern-Divan-Orchestra“ statt, das er aus israelischen und arabischen Musikern zusammengestellt hat. Die Eröffnungsrede hielt Reuven Moskovitz, Historiker an der Universität Jerusalem und Mitbegründer des Friedensdorfes „Neve Shalom/Wahat Al Salam“, in dem israelische Juden und Palästinenser zusammen leben. Ich möchte Euch heute einige Ausschnitte aus seiner Rede wiedergeben:
„Sehr geehrte Damen und
Herren, liebe Friedensfreunde,
ich
bin Jude und Israeli aus Jerusalem, der sein ganzes Leben dem Frieden, der
Versöhnung und der Vergebung widmet.
[...]
Dieses Konzert [...] ist ein Beweis, dass es nicht Krieg zwischen Juden und
Arabern gibt, sondern dass es Juden und Araber gibt, die auf Konflikt, Krieg
und Hass gerichtet sind und Juden und Araber, die sich der Liebe, dem Frieden
und der versöhnenden Kunst verpflichtet fühlen.
Als
Überlebender und Opfer von Krieg, Hass, Verfolgung und rassistischer Vorurteile
beschäftigt mich mein ganzes Leben die Frage, wie man den Teufelskreis von
Gewalt und Gegengewalt überwinden kann. [...] Ein Spruch der jüdischen
Weisen heißt:
"Ein Held ist, wer seinen Feind zum Freund macht."
Daniel
Barenboim und sein [...] West-Eastern-Divan Orchestra sind die Helden unserer
Zeiten und nicht diejenigen, die sich gegenseitig in hoffnungs- und sinnlosen
Kriegen umbringen, diejenigen, die Teile unserer Welt in Brand gesetzt haben,
wie im Libanon, in Israel, Palästina, Afghanistan und im Irak. [...]
Vor
32 Jahren habe ich mich überwunden nach Deutschland zu fahren um den Weg
Deutschlands von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus zu studieren.
Ich habe mir die schmerzhafte Frage gestellt: Ob auch wir Juden, ein Volk, das
Jahrtausende durch die Macht des Geistes und der Gewaltlosigkeit überlebte, als
Anbeter der Gewalt nicht auch gefährdet sind, daran zugrunde zu gehen. Zutiefst
überrascht habe ich nicht nur die zerstörerischen Denk- und Handlungsstrukturen
des Dritten Reiches erkannt [...]. Ich habe auch eine neue deutsche Identität
entdeckt: Die erstaunliche Fähigkeit des Übergangs von tief eingeprägtem
rassistischem Vernichtungswahn zu einer erfolgreichen Friedens- und
Versöhnungspolitik, die zu einer Friedensidentität geführt hat. [...]
Bewegt [...] von dieser neuen deutschen Identität hat sich bei mir die Hoffnung
entwickelt, dass von Deutschland aus die aktivsten und unablässigsten Versuche
kommen könnten und müssten, um zu Frieden und Versöhnung zwischen uns Juden und
den Palästinensern zu gelangen. Zu meinem tiefsten Bedauern musste ich auch die
deutsche “Schuldidentität” wahrnehmen. Diese Identität als Ergebnis von Reue
und Scham kann ich verstehen und achten.
Nicht
nachvollziehen kann ich, wenn diese Identität für deutsche Menschen bedeutet,
mit zweierlei Maß zu handeln, wenn es um den tragischen
jüdisch-palästinensischen Konflikt geht [...] , sich verlegen und gelähmt
ziemlich einseitig in eine falsche bedingungslose Solidarität mit Israel zu
begeben. Bedingungslose Solidarität mit dem Existenzrecht Israels muss
selbstverständlich sein. Nicht aber mit dem Recht Israels, seinen Nachbarn
durch Gewalt Annexionsansprüche aufzuzwingen und Selbstbestimmung zu
verweigern. [...]
Es gibt keinen Frieden und keine Sicherheit für Israel ohne
Freiheit und Frieden für die Palästinenser.“
Soweit die stark gekürzte Rede von
Reuven Moskovitz in Weimar vor zwei ein halb Jahren, als der Krieg im Libanon tobte. Sie ist durch den Krieg
in Gaza noch aktueller geworden. Er wirft darin auch die Frage auf,
was wir selbst tun können.
Und deshalb will ich jetzt
eigentlich gar nicht damit anfangen, über andere zu reden. Aber gerade die
letzten Wahlen in Israel und vorher auch in Palästina haben uns eindrücklich
gezeigt, dass der einfache Bürger allein durch sein Wahlverhalten sehr wohl
Einfluss auf die Frage Krieg oder Frieden nehmen kann; dass er es durchaus
in der Hand hat, den Weg zu friedlichen Verhandlungslösungen zu verbauen, indem
er denen die Macht in die Hände gibt, deren Politik „auf Konflikt, Krieg und
Hass gerichtet ist“, wie Reuven Moskovitz sagt.
Ich glaube nicht, dass die deutsche
Außenpolitik einen friedensstiftenden Beitrag leisten kann, wenn sie wie im
alten Kolonialismus von der Angst getrieben zu sein scheint, bei der
militärischen Aufteilung der Welt, seiner Märkte und Ressourcen bloß nicht zu
kurz zu kommen. Eine deutsche Friedensidentität ist darin nicht mehr zu
erkennen. Sie würde es erfordern, Vorbild beim militärischen Gewaltverzicht,
der aller ersten Voraussetzung für Frieden, zu sein. Lasst uns also über unsere
Soldaten in Jugoslawien, dem Kosovo umd in Afghanistan reden.
Karmelita Gaertig und ich erinnern mit dem Lied „Das Deutsche Miserere“ an das tragische Ende früherer
deutscher Auslandseinsätze. Mein Gedicht „Aufhören!“
soll an den NATO-Krieg gegen Jugoslawien vor zehn Jahren erinnern, als
diese am 30. Mai 1999 bei der auch militärisch sinnlosen Bombardierung der
serbischen Kleinstadt Varvarin 10 Zivilisten tötete;
Reden wir auch über unseren
alltäglichen Rassismus, über die Ausländer-Feindlichkeit, vor allem gegen
Migrantinnen und Migranten süd-östlicher Herkunft. Reden wir über die oft in
anti-islamistischem Gewand vorgetragene Hetze gegen Türken und Araber. Reden
wir über die Anti-Moscheen-Kampagnen der alten und neuen Nazis von „Pro
NRW“. Hier findet die verheerende Tradition des Antisemitismus in Deutschland
seine zeitgemäße Fortsetzung. Hier wird die geistige Grundlage für neue Pogrome
gelegt! Dagegen wollen wir mit unserem kleinen "West-östlichen Diwan",
zu dem der Gelsenkirchener Liedermacher Ali Mahir Abdik sein Lied
"Sage Nein zum Krieg - Savasa hayir"
beisteuert, ein Zeichen setzen.
Vor 190 Jahren schrieb Johann Wolfgang von Goethe in seinem „West-östlichen Diwan“: "Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident - sind nicht mehr zu trennen".
Aufhören ! Der auf seinem Schleudersitz, könnte er die Schreie hören könnte der auf seinem Schleudersitz die Schreie hören würde er erschrocken umkehren und aufhören Befehle auszuführen Brücken zu zerstören die uns gar nicht gehören und nicht zu uns führen? Der auf dem Ministerstuhl, könnte er das Zittern spüren könnte der auf dem Ministerstuhl das Zittern spüren würde er sich erschüttert rühren und aufhören Befehle zu beschließen Länder zu beschießen die sich nicht drohen ließen und nicht kaufen ließen? Der auf Deiner Fernsehcouch, könnte er die Schmerzen fühlen könnte der auf Deiner Fernsehcouch die Schmerzen fühlen würde er dann endlich aufwachen und aufhören die immer neu zu wählen, die Soldaten befehlen Menschen zu vernichten, um Macht zu errichten? (Leo Kowald, Gelsenkirchen, 2000 - 2009)