Berichterstattung vom Ostermarsch, WAZ vom 6.4.2010:



Rede von Marianne Konze auf dem Ostermarsch 2010 in Gelsenkirchen
(es gilt das gesprochene Wort!)

Liebe Friedensfreunde, liebe Friedensfreundinnen, verehrte Gäste und verehrte Presse

Wir Gelsenkirchener begrüßen Euch in unserem schönen Stadtgarten - am Mahnmal der Opfer des Faschismus. 50 Jahre Ostermarsch für Frieden und Abrüstung. 50 Jahre dabei: Gesungen, gefordert, gelacht, aber auch gefroren, nass geworden - immer wieder alte und neue Freunde getroffen. Ein Rückblick ist schön und die Frage erlaubt: Was hat es gebracht?

Immer noch werden Kriege begonnen - obwohl andere längst nicht beendet sind! Kriege sind durch nichts zu rechtfertigen! Sie bringen Zerstörung von Heim und Natur. Danke, Frau Margot Käßmann!. Sie haben zu Beginn des Jahres deutlich gemacht, dass Krieg vernichtet, und auch die Verantwortlichen für Kriege genannt. Kapital und Politik finden immer wieder Gründe und wenn's die Bekämpfung des Terrors ist, um Kriege zu beginnen.

Irak, Afghanistan überall, wo leider auch deutsche Soldatinnen und Soldaten im Kriegseinsatz sind, auch wenn sie Zivileinsätze genannt werden. Es gibt Dinge, die weder durch Kriege noch durch Geld zu haben sind. Zum Beispiel: Vertrauen, Solidarität, gegenseitige Akzeptanz, Liebe Zuversicht, Gemeinsamkeit - und das, liebe Anwesende, das haben wir! Kürzlich wurde errechnet: Der Irak-Krieg kostet monatlich 10 Milliarden Dollar. Der Krieg in Afghanistan ist da nicht dabei! Über 10 Milliarden Dollar - dafür könnte der Hunger auf dieser schönen Welt beseitigt werden, dafür könnte bei Naturkatastrophen wie auf Haiti und in Chile umfassende Hilfe geleistet werden.

Deshalb fordern wir: Raus aus Afghanistan! Schluss mit den Kriegen, legt denen, die daran verdienen, das Handwerk. Aber auch: Schluss mit den Rüstungsexporten aus Deutschland! Kriege kosten nicht nur Geld - sondern auch Menschenleben - und das ist noch schlimmer.

Liebe Anwesende, 50 Jahre Ostermarsch! Da denke ich an unsere Fasia aus Oberhausen, die mit ihrer tollen Stimme und ihrer Gitarre dabei war. Wir denken an Joan Baez, die Stimme aus Amerika, an unsere Weisbergs, an Weltkirchenratspräsident Martin Niemöller, an Professorin Klara Marie Faßbinder - liebevoll Friedensklärchen genannt. Ja, an viele Freunde, Freundinnen, Kommunisten, Sozialdemokraten, Demokraten. Sie wussten, ohne Frieden geht nichts! Ich selbst, 1929 geboren, habe Faschismus und Krieg erleben müssen. Am 13. Februar 1945, meinem 16. Geburtstag, brannte Dresden. Phosphor. Die Menschen sprangen brennend in die Elbe, doch sie brannten im Wasser weiter - da hab ich mir vorgenommen: Du wirst dein Leben lang mithelfen, dass so was nie wieder passiert. Und solch hart Gesottene gibt's zum Glück ganz viele. Auch wenn wir uns oft anhören müssen: Quatsch, ihr könnt ja doch nichts ändern. Aber, liebe Anwesende, haben wir nicht schon viel geändert? Gerade deshalb werden unsere Aktionen und Forderungen heruntergespielt, kaum erwähnt. Die Herrschenden nehmen sie ernster, als wir das oft selbst tun.

Ein altes Sprichwort sagt: Alles verstehen heißt, alles verzeihen. Aber ich und mit mir ganz viele Menschen - eben auch die jungen Leute - das hat das vergangene Wochenende in GE und in Duisburg erneut gezeigt [sehen das anders:] Dass alte und neue Nazis, fremdenfeindliche Elemente in unseren Städten aufmarschieren dürfen, wer soll das verstehen? Das ist ein politischer Skandal, dass unsere Polizei aus ganz NRW zum Einsatz muss, was unser Geld kostet, und den Polizistinnen und Polizisten das freie Wochenende. Ein Verbot dieser rechten nazistischen Organisationen wäre besser! Ich fordere es! Denn unser Erdball, unser Land will bunt sein, will blühen, im Frieden: Dass nie wieder eine Mutter um ihren Sohn weinen muss.

50 Jahre Ostermarsch, 1960, ja, Ihr Lieben - da war der kalte Krieg längst im Gange. Die "Freie deutsche Jugend", 1943 in London von den Kindertransport-Jungendlichen gegründet, wurde 1952 in der BRD verboten. Bei einer Demo gegen die Wiederaufrüstung wurde Philip Müller erschossen. Gegen Tausende Jugendlicher gab es politische Prozesse und über 1000 Jahre Gefängnishaft haben sie abgesessen, auch unsere Renate Veh aus Gelsenkirchen. 1956 folgte das KPD-Verbot und weiterer demokratischer Organisationen, die Finanzen und Mitgliedsbeiträge wurden beschlagnahmt. Der größte Skandal nach 1945: Nicht ein Nazi-Richter wurde verurteilt - aber die ehemaligen Nazi-Richter verurteilten Antifaschisten, aufrechte Demokraten, engagierte Frauen und Männer, die gegen die Wiederaufrüstung eintraten. Es ist dem ehemaligen Justizminister Dr. Dieter Posser, Sozialdemokrat, zu verdanken, dass er in seinem Buch "Anwalt im Kalten Krieg" vieles festgeschrieben hat. Zum Glück! Denn darüber spricht man nicht. Dazu hat Politik geschwiegen und die Massenmedien haben sich schwer getan. Deshalb, liebe Anwesende, erwähne ich das.

Denn es war auch für die ersten Aufrufer zum Ostermarsch nicht so ganz ungefährlich. Dank unseres Pfarrers von der evangelischen Kirche hier in Feldmark, unseres Lehrers Karl Taefler, den Betriebsräten Helmut Bublitz, Lothar Bürgel, Robert Konze und viele Streiterinnen und Streitern hat es in GE gut angefangen. Ihrem Aufruf sind Hunderte junger Menschen gefolgt. Aus Datteln war Pfarrer Von Oppen aktiv, dort waren noch Atomraketen stationiert. Eine Welt ohne Atomwaffen fordern wir noch immer und wir hoffen und fordern, diesen Wunsch der Menschen bald zu erfüllen. Auch in Gelsenkirchen waren Vertreter des Friedensmarsches zum Gedenken an Hiroshima und Nagasaki, an die 150.000 Menschen, die im August 1945 dort umkamen, verbrannten und verstrahlten. Vor 50 Jahren ging der Ostermarsch Ruhr von Duisburg, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Wattenscheid. Die Recklinghäuser trafen sich an der Vestlandhalle, dann ging’s über Herne und Bochum, da haben wir uns getroffen und am 2. Ostertag ging’s nach Dortmund zum Abschluss.

Erfreulich war, wie die Bevölkerung an den Strecken Anteil nahm. Mit Kaffee, Kuchen, Ostereiern standen sie am Straßenrand. „Hier könnt ihr aufs Klo“ standen Schilder am Gartenzaun. Und in den Gruga-Hallen oder der Westfalenhalle fanden große Abschlussveranstaltungen statt. Ja, an große Ereignisse zu erinnern, ist erlaubt. Wir Ostermarsch-Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind durch eine harte, aber schöne Schule gegangen.

Wir sind nicht klein zu kriegen!

Wir sind beständig und sorgen für Nachhaltigkeit. Ostern ist der Frühling - meistens - Ostermarsch, das, meine Lieben, das ist der politische Frühling. Wir Gelsenkirchener wünschen Euch und uns einen schönen erfolgreichen Ostermarsch und fordern gemeinsam: Raus aus Afghanistan - Schluss mit den großen und kleinen Kriegen - Eine Welt ohne Atomwaffen !

Es ist an der Zeit, die Wünsche der Menschen zu erfüllen!

Danke fürs Zuhören